Strategische Kommunikation ist nicht Mittel – sie ist die Machtform unserer Zeit

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Strategische Kommunikation ist heute die Form, in der Macht legitim entsteht, sichtbar wird und wirkt. Wer führt, gestaltet zuerst Informationsräume – nicht nur Produkte, Programme oder Policies. Deshalb gilt: Wer Kommunikation delegiert, delegiert Führung.

Der verbreitete Irrtum

Viele behandeln Kommunikation wie eine Toolbox: Kampagne hier, Media-Statement dort, etwas Content fürs Gefühl. So verfehlt man Wirkung. Kommunikation ist kein Add-on zur Strategie – sie ist Handlung gewordene Strategie: die bewusste Koordination von Taten, Botschaften, Bildern und Signalen, um über die Zeit die eigenen Interessen durchzusetzen. Information ist nie einfach nur Information: Sie trägt immer auch die Ansichten und Absichten des Absenders mit. Deshalb ist strategische Kommunikation so wichtig und mächtig. Ohne normative Richtung und Kohärenz wird aus Kommunikation keine Wirkung. Eine spannende – und immer noch gültige – Übersicht über das Thema findet sich hier: onthinktanks.org

Wie Wirklichkeit gemacht wird: Erinnerung, Erzählung, Identität

  • EBENE 1: ERINNERUNG (Was zählt aus der Vergangenheit?)
  • Erinnerung ist selektiv – nicht falsch, aber kuriert. Wer führt, entscheidet: Welche Vergangenheit macht Sinn für die Zukunft?
    Konkret: Ein Unternehmen sagt: „Wir haben 50 Jahre Handwerk.” Das ist wahr. Aber: Warum erinnern Sie gerade daran? Weil Sie Tradition signalisieren wollen? Oder Zuverlässigkeit? Die Erinnerung ist gleich; die Rahmung unterscheidet.
  • EBENE 2: ERZÄHLUNG (Was ist die aktuelle Handlung?)
  • Erzählung ordnet: Sie nimmt Komplexität und gibt ihr Richtung. Sie öffnet Optionen: „So könnte es sein, wenn wir das tun.”
    Konkret: Statt „Wir digitalisieren” → „Wir machen analoge Prozesse sichtbar, dann entscheiden wir, welche schneller werden.” Das ist andere Erzählung – aber klarere Handhabe.

    EBENE 3: IDENTITÄT (Wer sind wir – und nicht?)
  • Identität entsteht durch Wiederholung (was wir immer wieder tun) und Unterscheidung (was andere tun, aber wir nicht).
    Konkret: Ein Energieversorger sagt nicht nur: „Wir liefern Strom.” Sondern: „Wir sorgen dafür, dass Strom verlässlich ankommt – nicht schneller, sondern sicherer.” Das ist Identität.
  • Diese Triade ist kein Feuilleton; sie ist operativ. Wer sie aktiv führt, gestaltet Wirklichkeiten, an die sich andere anschliessen, weil sie plausibel und anschlussfähig sind. (Vgl. Originalbeitrag.) Kilroy-Communications

Desinformation und Information funktionieren nach den gleichen Regeln

Die unbequeme Erkenntnis: Desinformation nutzt nicht andere Mechaniken als legitime Kommunikation. Sie nutzt die gleichen – nur ohne Bindung an Wirklichkeit.

Beide nutzen:

  • Wiederholung (Gewöhnung erzeugt Plausibilität)
  • Rahmung (Perspektive entscheidet über Deutung)
  • Zeitverdichtung (Gleichzeitigkeit wirkt wie Konsens)
  • Sozialbeweis (Andere tun es, also muss es wahr sein)
  • Vertrauenswürdige Verstärker (Der Chef, die Expertin, der Freund sagt es)

Der Unterschied: Legitime Kommunikation bindet diese Hebel an überprüfbare Fakten.

Das heisst konkret: Wer heute führt, braucht die gleichen Fähigkeiten wie jemand, der desinformiert – nur mit Integrität. Rahmung, Wiederholung, Sequenzierung – das sind neutrale Werkzeuge. Sie können für Wahrheit oder Lüge benutzt werden. Wer führt, nutzt sie bewusst, transparent und faktennah.

Technologie: Verstärker, nicht Feind

Generative KI, synthetische Medien und Empfehlungslogiken verschieben die Physik des Informationsraums. Deepfakes und KI-Narrative sind heute mit geringem Aufwand herstellbar; internationale Gremien warnen vor systemischen Risiken und fordern Standards für Herkunftsnachweise. Kurz: Tempo, Volumen und Verwechslungsgefahr steigen. Damit akzentuiert sich, was vorher schon klar war. Kommunikation ist Führungsaufgabe, kein nachgelagertes Support-Thema. Reuters+1

Was heisst das konkret für Führung?

ZU ERINNERUNG:

  1. Kuratieren Sie, welche Vergangenheit zählt – nicht nur intern, auch extern. „Wer prägt die Erinnerung?” ist die erste Frage. Erzählen Sie die Gründungsgeschichte neu, wenn Sie eine neue Zukunft wollen.
  1. Wer konkurriert um die Erinnerung? Andere Akteure haben ihre Version – wie unterscheidet sich Ihre? Wo sagen Sie bewusst: „Das erinnern wir nicht – weil es für unsere Zukunft nicht zählt.”

ZUR ERZÄHLUNG:

  • Erzählkern definieren: Ein Satz, drei überprüfbare Belege, eine Konsequenz – so wird Sinn handlungsleitend.
  • Beispiel: „Wir machen Strom verlässlich.
    Beweis: 99,8 % Verfügbarkeit.
    Beweis: Wartung an Wochenenden.
    Beweis: Kein Ausfall seit 5 Jahren.
    Konsequenz: Ihre Infrastruktur funktioniert.”
  1. Taten vor Texten. Handlungen sind stärkste Signale. Erst die Entscheidung, dann das Statement – und beide müssen zusammenpassen. Wenn Sie intern anders handelt als extern kommunizieren, wird das sichtbar.

ZUR IDENTITÄT

  • Provenienz & Tempo: Setzen Sie auf Content-Herkunftsnachweise und interne Freigabeprozesse, die schnell und prüfbar sind. Das zeigt: Hier kommt die Information nicht aus dem Nichts – sie hat einen Ursprung, den Sie überprüfen können.
  • Kohärenz sichern. Orchestrieren Sie Politik, Produkte, Personalentscheide, Prozesse und Publikationen – eine durchgehende Linie. Das ist nicht PR; das ist Identität.
  • Resilienz bauen: Szenarien für Desinformation (die gleichen Hebel wie Information – nur ohne Fakten-Bindung), klare Reaktionspfade, Monitoring und Fact-Ally-Netzwerke.
wanderweg-zeichen

Unser Verständnis

Konkret: Was das heisst – für Ihren nächsten Schritt

Realität ist nicht gegeben. Sie wird gemacht:

  • Durch Erinnerung (was wir erinnern)
  • Durch Erzählung (wie wir es deuten)
  • Durch Identität (wer wir darin sind)

Wer führt, gestaltet diese drei Ebenen. Nicht als Manipulation – sondern als Verantwortung für das, was möglich und nötig ist.

Drei Fragen für nächste Woche:

  1. Welche Erinnerung aus unserer Geschichte brauchen wir jetzt – und erzählen wir sie nicht?
  2. Welche Erzählung prägt gerade den Markt/die Gesellschaft – und wo unterscheiden wir uns?
  3. Was ist unsere erkennbare Identität – jenseits von Logo und Claims?

Wenn Sie diese drei beantworten können, führen Sie bereits. Wenn nicht – werden Sie geführt.

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