Strategische Kommunikation ist keine Technik – sie ist die Machtform unserer Zeit

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Die Welt ist kein neutrales Terrain. Wer heute Einfluss nehmen will, braucht mehr als Argumente. Er oder sie muss verstehen, wie Wirklichkeit gemacht wird. Nicht im philosophischen Sinn, sondern im praktischen: durch Kommunikation. Genauer gesagt: durch strategische Kommunikation.

Was ist Strategische Kommunikation?

Strategische Kommunikation (StratCom) ist der Versuch, in einem umkämpften Umfeld Wirkung zu entfalten – kohärent, langfristig und wertebasiert. Sie umfasst alle Handlungen, Botschaften, Bilder, Symbole und Signale, mit denen ein Akteur seine Interessen durchsetzt. Christopher Paul spricht von der “Koordination von Aktionen, Botschaften, Bildern und anderen Formen des Engagements zur Unterstützung nationaler Ziele”. Doch das greift zu kurz. StratCom ist mehr als Technik. Sie ist Gestaltungsmacht.

StratCom verfolgt kein kurzfristiges Überzeugen, sondern die Verschiebung von Diskursen. Ihr Ziel ist es, Realitäten zu entwerfen, an die sich andere anschliessen – weil sie plausibel, anschlussfähig und attraktiv sind. Wer strategisch kommuniziert, wartet nicht auf Aufmerksamkeit. Er schafft sie.

Erinnerung, Erzählung, Identität – die Triade der Wirkung

Wirkung entsteht nicht im Jetzt. Sie wurzelt in der Art, wie wir uns erinnern, erzählen und identifizieren. Strategische Kommunikation operiert entlang dieser Triade:

  • Erinnerung ist keine Konserve. Sie ist selektiv, fragmentarisch, verhandelbar. StratCom nutzt sie, um Kontinuität zu stiften – oder Brüche zu markieren.
  • Erzählung ist nicht nur Verpackung, sondern Ordnungsprinzip. Wer erzählt, lenkt. Gute Geschichten geben Orientierung, stiften Sinn, öffnen Möglichkeitsräume.
  • Identität ist nicht gegeben, sondern erzeugt. Sie entsteht durch Wiederholung, Unterscheidung, Resonanz. StratCom formt Identitäten, indem sie Zugehörigkeit definiert – und andere ausschliesst.

Wer diese drei Elemente steuern kann, gestaltet gesellschaftliche Wirklichkeit. Nicht manipulativ, sondern verantwortungsvoll.

Kein Propaganda-Reboot

Der Verdacht liegt nahe: Ist das nicht einfach Propaganda mit nettem Anstrich? Propaganda zielt auf Kontrolle, auf die eine Wahrheit, auf die passive Masse. Strategische Kommunikation hingegen operiert im liberal-demokratischen Rahmen. Sie geht vom selbstbestimmten Subjekt aus – und verlangt umso mehr strategische Klarheit. Sie will nicht verführen, sondern überzeugen.

Gerade autoritäre Systeme – etwa Russland – arbeiten mit einem “postmodernen Bricolage”-Ansatz: Informationsfragmente, historische Anspielungen, technologische Mittel, alles wird kombiniert, um Ambiguität zu erzeugen. Ziel ist nicht Wahrheit, sondern Verwirrung. Dem stellt sich StratCom entgegen: durch Kohärenz, Transparenz, normative Verankerung.

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Ein Projekt der Freiheit

Strategische Kommunikation ist kein PR-Tool. Sie ist ein politisches Projekt. Sie verlangt Werte, Haltung, Verantwortung. Sie ist nicht Mittel der Macht – sie ist Macht. Nicht weil sie manipuliert, sondern weil sie formt: Wahrnehmung, Orientierung, Entscheidung. In einer Zeit, in der Fakten allein keine Wirkung mehr garantieren, wird die bewusste Gestaltung des Informationsraums zur zentralen Führungsaufgabe.

Ausblick: Technologie als Verstärker

Algorithmen, Deepfakes, KI-generierte Narrative – die technologische Entwicklung verändert das Informationsumfeld radikal. Doch Technik ist kein Feind. Sie ist Bühne, auf der sich strategische Kommunikation bewähren muss. Wer hier bestehen will, braucht mehr als Tools. Er braucht ein tiefes Verständnis für das, was Wirkung schafft: Sinn.

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